Sitterswald. Die Luftschlangen liegen schon auf dem Tisch. Die blau-gelbe Fastnachtsmütze passt dazu wie der Schal der Sitterswalder Karnevalsgesellschaft „Die Kappeskepp“. An diesem Donnerstag feiert Wilma Drewniok doppelt.
Zum einen die Eröffnung der Fastnachtssession. Und nach neunmal elf Jahren den 99. Geburtstag. „Es wird leider nur eine kleine Feier mit der Familie. Ich bin am Montag gestürzt und habe jetzt offiziell ein Loch im Kopf“, sagt Drewniok und fängt an zu lachen. Die gute Laune und das heitere Temperament sind ein Grund, warum die Sitterswalderin mit 99 Jahren noch voll im Leben steht. Sie wohnt in ihrer eigenen Wohnung und kümmert sich selbst um den Haushalt. Das musste sie schon mit 14 Jahren machen, als sie aus ihrer Heimatstadt Hamm nach Hannover zu ihrer Tante zog.
„Meine Mutter starb, als ich zwölf Jahre alt war, mein Vater, als ich 14 war. Ich hatte fünf Geschwister, das war eine harte Zeit. Vor allem, als der Krieg begann. Es vergeht heute noch kein Tag, an dem ich nicht an meine Eltern denke.“
Als sie 17 Jahre alt war, begann der Zweite Weltkrieg. Die gelernte Diätköchin blickt zurück: „Damals war keine Zeit zum Jammern. Es war hart, und wir hatten nicht viel.“
Vier Jahre vorher wurde im weit entfernten Sitterswald gerade der Grundstein für die Siedlung gelegt. Damit ist Wilma Drewniok deutlich älter als der Ort an der Oberen Saar, in dem sie inzwischen lebt. Das dürfte Seltenheitswert haben.
Bei der fröhlichen Jubilarin ist ohnehin vieles anders als bei anderen Menschen. Sie lernte ihre Schwiegermutter vor ihrem Mann kennen, und durch Verwandtschaft im Saarland zog es Hans und Wilma Drewniok im Jahr 1945 direkt nach dem Krieg nach Saarbrücken.
1955 zogen beide dann nach Sitterswald. „Damals gab es dort Bauland, und wir bekamen eine schöne Wohnung. Erst wollte ich aus Saarbrücken nicht weg, da ich nicht wusste, was mich erwartet. Heute liebe ich diesen Ort, und es war die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt die zweifache Ur-Ur-Oma. Ihr Mann Hans war 1957 Gründungsmitglied der Sitterswalder Karnevalsgesellschaft „Die Keppeskepp“. Wilma selber sorgte nur drei Jahre später für eine Neuheit und Sensation an der Oberen Saar. „Damals standen die Mädchen und Frauen in Uniformen vor der Bühne Spalier. Damals wurde noch gar nicht getanzt. Damit haben wir angefangen. Dort hinten im Wohnzimmer war das erste Training“, sagt Wilma Drewniok und zeigt aus ihrem Esszimmer in Richtung Wohnzimmer.
„Der Radetzkymarsch war das erste Lied, und wir waren zehn Mädels. Die erste Garde war geboren“, erinnert sich die Sitterswalderin und schmunzelt. Sie war jahrelang Trainerin der Kappeskepp-Garde und auch im Vorstand des Vereins. Und sie hat in all den Jahren ihre ganz eigene Form der saarländischen Mundart entwickelt. Saarländisches Platt vermischt mit feinstem Hochdeutsch aus Hannover – das muss man gehört haben.
Und auch wenn die Sessionseröffnung und ihr Geburtstag in diesem Jahr etwas kleiner ausfallen, die Vorfreude bei der Sitterswalder Frohnatur ist schon spürbar.
„Ich bin immer noch in jedem Jahr auf unserer Kappensitzung. Hoffentlich kann im nächsten Jahr wieder eine stattfinden. Und nächstes Jahr im November geht es dann richtig rund. Wenn ich 100 Jahre werden, wird das Waldhaus gemietet, und dann wird gefeiert wie es sich gehört“, sagt das Geburtstagskind und lacht.
Text und Fotos: Heiko Lehmann.