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Unwetter-Katastrophe: Versicherung will nicht zahlen und kündigt

Stephan Deckarm aus Bübingen hat alle Unwetter-Schäden in an seinem Haus fotografiert und dokumentiert.
Stephan Deckarm aus Bübingen hat alle Unwetter-Schäden in an seinem Haus fotografiert und dokumentiert.

Bübingen. Ohrenbetäubender Lärm kommt aus dem obersten Stockwerk des Hauses von Stephan Deckarm im Bübingen. Mit jeder Treppenstufe hinauf wird es immer lauter. Es hört sich an wie auf einem Flughafen oder wenn man direkt neben Turbinen steht. „Das sind Maschinen zur Entfeuchtung der Räume. Sie laufen 24 Stunden am Tag. Ein leben in diesen Räumen ist zur Zeit nicht vorstellbar“, sagt Stephan Deckarm, der in der Nacht zum 1. Juni ein Opfer der Unwetter-Katastrophe an der Oberen Saar wurde. „Gegen 23 Uhr stand das Wasser auf unserer Terrasse bereits drei Zentimeter hoch. Eine Stunde später hatten wir einen Wasserfall in unserer Wohnung. Das Wasser kam von überall. Sogar aus den Lampen und Steckdosen. Wir konnten nichts mehr machen und versuchten einfach nur unsere wertvollsten Gegenstände irgendwie zu retten“, erzählt der Bübingen von der Unwetter-Nacht. Am nächsten Morgen war die Katastrophe erst richtig sichtbar. So gut wie alles in der obersten Etage und im Keller war kaputt.

Die Tapeten sind von den Wänden und Löcher wurden in den Boden gebohrt, damit die Feuchtigkeit raus kann.
Die Tapeten sind von den Wänden und Löcher wurden in den Boden gebohrt, damit die Feuchtigkeit raus kann.

Nur die mittlere Etage hatte schadlos überlebt. Die Schadenssumme: Mehr als 40 000 Euro. Die eigentliche Katastrophe sollte für Stephan Deckarm aber erst folgen. Der 56-Jährige hatte für sein Haus bereits vor Jahren eine Elementarversicherung abgeschlossen. Doch diese weigert sich nun zu zahlen. Eine Trockenfirma führte montags nach dem Unwetter Messungen durch und ein Dachdecker musste die mit einem Messer die Bitumenschicht des Daches öffnen um Schäden feststellen zu können. Stephan Deckarm hat alles in Fotos festgehalten. Auch als der Dackdecker die Bitumenschicht aufschnitt. „Die Versicherung hat mir aufgrund der Fotos geschrieben, dass der Dachdecker eine Beschädigung der Dachterrassenabdichtung festgestellt habe und somit die Elementarversicherung nicht greifen würde. Ich habe mit dem Dachdecker gesprochen. Er hat mir klar gesagt, dass das alles in Ordnung war“, sagt Stephan Deckarm.

Entfeuchtungsgeräte machen in der gesamten Wohnung einen Höllenlärm.
Entfeuchtungsgeräte machen in der gesamten Wohnung einen Höllenlärm.

Auf Nachfrage der Saarbrücker Zeitung schrieb die Versicherung: „Wir können mitteilen, wann eine Überschwemmung gemäß den Versicherungsbedingungen vorliegt. Hierbei muss bei einem ersatzpflichtigen Überschwemmungsereigniss eine Überschwemmung von Grund und Boden vorliegen. Die Überschwemmung eines Flachdaches oder eines Balkons oder Dachterasse ist keine Überschwemmung von Grund und Boden! Das Eindringen von Regenwasser durch eine undichte Abdichtung stellt ebenfalls kein Versicherter Ereignis dar. Diese Regelung ist in der Versicherungsbranche marktüblich und auch gemäß denn Versicherungsbedingungen.“ Auch ein vorübergehender Umzug in ein Hotel, wegen Unbewohnbarkeit der Wohnung wurde von der Versicherung nicht genehmigt, obwohl es im Vertrag steht. Stephan Deckarm hat alles fein säuberlich abgeheftet und die Unterlagen der Saarbrücker Zeitung gezeigt. Das nächste Schreiben, das von der Versicherung kam, war die sofortige Kündigung der Elementarversicherung. 

Im Video: So schlimm erwischte es Stephan Deckarm beim Unwetter am 1. Juli.

Auf Anfrage der Saarbrücker Zeitung erklärte die Versicherung: „da Herr Deckarm über einen Rechtsanwalt den juristischen Weg eingeschlagen hat, können wir nicht detailliert auf den Fall eingehen“, heißt es in dem Antwortschreiben. Für Stephan Deckarm ist der Fall klar. „Die suchen nur nach einem Grund, um nicht bezahlen zu müssen. Ich und meine Frau haben lange gespart, um uns das Haus so herzurichten, wie wir wollten und deshalb haben wir auch eine Elementarversicherung abgeschlossen. Ich falle wirklich bald vom Glauben an die Menschheit ab“, sagt der 56-Jährige und ist auch sechs Wochen nach dem Unwetter wieder den Tränen nah. Von der angepriesenen Hilfe der Saarländischen Landesregierung bekommen die Deckarms auch nichts. „Ich verdiene mehr als 22 050 Euro brutto im Jahr. Wer, bitte schön, verdient denn etwa 1600 Euro brutto im Monat und kann sich davon ein Haus leisten. Ich musste einen Kredit von 45 000 Euro aufnehmen und wir sind aktuell dabei unsere Wertgegenstände zu verkaufen, damit wir unser Haus renovieren können. Von der Regierung haben wir bislang nur die 1500 Euro Soforthilfe bekommen und ob wir noch etwas von der Versicherung bekommen entscheidet sich vor Gericht. Das kann aber ein oder zwei Jahre dauern“, so der Bübinger, der bei der Regulierung des Unwetter-Schadens derzeit völlig auf sich alleine gestellt ist.

Text und Fotos: Heiko Lehmann. Video: Stephan Deckarm.