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Jonas Hector - Ich brauche keine Champions League!

Von Auersmacher nach Russland. Jonas Hector kickt bei der Fußball-Weltmeisterschaft für Deutschland.
Von Auersmacher nach Russland. Jonas Hector kickt bei der Fußball-Weltmeisterschaft für Deutschland.

Jonas, wie fühlt es sich an, gemeinsam mit Kevin Trapp als erste Saarländer 24 Jahre nach Stefan Kuntz wieder zu einer WM zu fahren?

Jonas Hector: Die Vorfreude ist riesen groß. Weltmeister zu werden ist, glaube ich, das Größte was ein Fußballer werden kann und davon träumt wahrscheinlich jedes Kind. Bei einer WM dabei zu sein, ist bislang der Höhepunkt in meiner Karriere.

 

Wie war denn das, als Bundestrainer Joachim Löw am Montag vier Spieler aus dem 27er Kader aussortieren musste? Hat man da nach so einer langen Zeit als Nationalmannschaftsspieler auch noch Angst, dass man vielleicht rausfliegt?

Hector: Angst nicht unbedingt, aber man ist schon aufgeregt. Allerdings auch schon nicht mehr so viel, wie bei der Europameisterschaft vor zwei Jahren.

 

Sagt einem der Bundestrainer eigentlich immer persönlich Bescheid, ob man bei Lehrgängen oder Turnieren dabei ist?

Hector: Nein, das War nur beim allerersten Mal so. Ansonsten bekommt man Emails mit allen Daten.

 

Trotz aller Vorfreude auf das große Turnier in Russland: In Ihrer Heimat Auersmacher in der Gemeinde Kleinblittersdorf im Saarland tobte vor zwei Wochen das schlimmste Unwetter der Geschichte. Haben Sie das im Trainingslager in Eppan (Südtirol) mitbekommen.

 

Hector: Ja, ich habe Bilder gesehen. Es sah alles schrecklich aus. Ich habe sofort mit meiner Familie telefoniert. Bei uns in Auersmacher war es Gott sei Dank nicht so schlimm. Aber in den Nachbardörfern Kleinblittersdorf und Bliesransbach muss es einer Katastrophe gleich gekommen sein. Klar ist man in Gedanken auch dort. Ich kenne viele Leute aus den beiden Orten.

Früher mit dem 1. FC Köln II in der Regionalliga, heute mit der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft.
Früher mit dem 1. FC Köln II in der Regionalliga, heute mit der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft.

Unter anderem wurde der Sportplatz in Bliesransbach komplett verwüstet. Ein Schaden von etwa 500 000 Euro. Sie und Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff haben auf dem Platz schon gespielt. Ist es möglich, da als Nationalelf in irgendeiner Form zu helfen?

Hector: Ich denke eher, dass das über den DFB laufen muss. Aber ich werde Oliver Bierhof mal darauf ansprechen. Er hat bestimmt auch schon mitbekommen was passiert ist.

 

Kommen wir zu Ihnen und fangen am 14. September 2017 an. Es war das erste und bislang einzige Europa Laegue-Spiel ihrer Karriere mit dem 1. FC Köln. Gegen den FC Arsenal wurden Sie in der 35. Minute mit einem Syndesmosebandriss ausgewechselt - die bislang schlimmste Verletzung in ihrer Karriere. Wie war der Moment?

Hector: Es war ein Zweikampf und ich habe nur einen Schlag gespürt. Als ich dann weiter spielen wollte, habe ich sofort gemerkt, dass es was Schlimmeres war. Es war im ersten Moment schon ein Schock, vor allem als die Diagnose da war.

 

Denkt man in solchen Momenten und den Tagen danach an ein mögliches WM-Aus?

Hector: Die WM war überhaupt kein Thema, zumal ja klar war, dass ich Anfang dieses Jahres ja schon wieder auf dem Platz stehen würde. Es war schlimm, weil man einfach sechs Wochen an Krücken laufen musste und seiner Mannschaft nicht helfen konnte.

 

 

Marietta und Manfred Dieudonné aus der Auersmacher Dorfbäckerei. Sie backten zur EM 2016 den Jonas Hector Streuselkuchen. Der Lieblingskuchen des Auersmacher Nationalspielers.
Marietta und Manfred Dieudonné aus der Auersmacher Dorfbäckerei. Sie backten zur EM 2016 den Jonas Hector Streuselkuchen. Der Lieblingskuchen des Auersmacher Nationalspielers.

Sie sind zu Beginn des Jahres sehr schnell wieder auf die Beine gekommen und waren auch schnell wieder in Topform. Für den 1. FC Köln hat es aber trotzdem nicht gereicht und Sie mussten in die Zweite Liga absteigen.

Hector: Es war einfach nur bitter und sehr emotional. Der Negativhöhepunkt in meiner bisherigen Karriere.

 

Als der FC in dieser Zeit entscheidende Spiele verlor mussten sie in Interviews direkt nach Spielschluss unangenehme Fragen beantworten und haben sehr deutlich geantwortet oder sind einfach gegangen. Was war da los?

Hector: Das waren super wichtige Spiele für uns und ich war emotional voll bei der Sache. Wenn dann ein Reporter noch die Spieler verbal angreifen möchte, reagiere ich eben so. Das ist meine Art und das werde ich auch immer so machen.

 

Generell gelten Sie aber eher als zurückhaltend was die Presse angeht, oder?

 

Hector: Man muss eben ständig aufpassen was man sagt und zu wem man etwas sagt. Die Presse kann Dinge so beeinflussen, dass aus Kleinigkeiten gleich riesen Aktionen gemacht werden. Was die Darstellung angeht, sitzt die Presse eben am längeren Hebel. Die erreichen die Menschen viel eher, als wir Spieler.

Also Jonas Hector mit dem 1. FC Köln II in Elversberg spielte, kamen viele Zuschauer aus Auersmacher.
Also Jonas Hector mit dem 1. FC Köln II in Elversberg spielte, kamen viele Zuschauer aus Auersmacher.

Gegen Ende der Saison bekamen Sie von den Köln-Fans ein Trikot zugeworfen, das sie den Fans zugeworfen haben. Schmerzt das nicht als Spieler, der alles für den Verein gibt?

Hector: Das war auch so ein Presse-Ding. Ich habe später erzählt bekommen, dass es gar nicht mein Trikot war, das zurück geworfen wurde. Insgesamt zieht man aus solchen Situationen aber seine Schlüsse für die Zukunft.

 

In Auersmacher ist ihre Heimat und dort wohnt ihre Familie. Nun haben Sie bis 2023 beim 1. FC Köln unterschrieben und gehen mit dem Club in die Zweite Liga. Ist Köln mittlerweile auch eine Art Heimat geworden?

Hector: Sagen wir mal, meine zweite Heimat. Auersmacher wird immer meine Heimat bleiben.

 

Mit der Vertragsverlängerung trotz des Abstieges sind sie in wenigen Stunden deutschlandweit das Sinnbild für Vereinstreue geworden. War Ihnen das bewusst?

 

Hector: Ich habe mir zwar gedacht, dass die Kölner positiv darüber denken werden, aber das so etwas in so kurzer Zeit in ganz Deutschland passiert, hätte nicht nicht für Möglich gehalten.

Jonas Hector immer mit Ball. Im Hintergrund seine Heimat Auersmacher.
Jonas Hector immer mit Ball. Im Hintergrund seine Heimat Auersmacher.

 

Wieso sind sie überhaupt in Köln geblieben? Als Nationalspieler hätten Sie so gut wie überallhin wechseln können. Es soll Angebote des FC Bayern und von Borussia Dortmund gegeben haben.

Hector: Das ist auch wieder in Presse-Ding. Ich habe mir seit Anfang des Jahres Gedanken gemacht, was ich machen möchte – auch im Falle eines Abstieges. Ich habe mit meiner Familie geredet und mit meiner Freundin und habe allen erklärt, dass ich gerne in Köln bleiben möchte. Dann habe ich das auch dem Verein erklärt und wir haben zusammen eine Lösung gesucht. Andere Vereine haben niemals eine Rolle gespielt. Soweit wäre es erst gekommen, wenn der FC und ich keine Lösung gefunden hätten.

 

Aber so spielen Sie in der nächsten Saison eventuell an einem kalten Mittwochabend beim FC Erzgebirge Aue, während viele ihrer Nationalmannschaftskollegen in der Champions League vielleicht bei Real Madrid oder beim FC Barcelona kicken.

 

Hector: Ich brauche keine Champions League.

Sein freiwilliges soziales Jahr absolvierte Jonas als Fußballtrainer in der Realschule in Kleinblittersdorf.
Sein freiwilliges soziales Jahr absolvierte Jonas als Fußballtrainer in der Realschule in Kleinblittersdorf.

Apropos Real Madrid: der aktuelle Champions League-Gewinner ist dafür bekannt, dass er sich nach einer WM die überragenden Spieler des Turnier herauspickt und verpflichtet. Das könnte auch für Sie gelten.

Hector: Ich brauche auch kein Real Madrid. Außerdem haben die mit Marcello den besten Linksverteidiger der Liga. Ich habe in Köln verlängert, weil wir direkt wieder von der zweiten in die erste Liga aufsteigen möchten.

 

Also spielt das Geld auch nicht die übergeordnete Rolle bei der Entscheidung?

Hector: Ich verdiene auch in Köln gutes Geld. Wichtiger ist aber, dass ich dort Fußball spielen kann, wo ich mich wohl und daheim fühle. Eigentlich möchte ich nur Fußball spielen.

Am Sonntag wird der erste Auersmacher bei einer Weltmeisterschaft auflaufen.
Am Sonntag wird der erste Auersmacher bei einer Weltmeisterschaft auflaufen.

Ihr Heimatverein, der SV Auersmacher, hätte im Falle eines Vereinswechsel ordentlich mitverdient und wäre wohl über Jahre finanziell weit vorne gewesen. So aber nicht.

Hector: In Auersmacher wissen die Leute, wie ich ticke. Dort rechnet keiner mit irgendwelchen Transfereinnahmen.

 

Also wird es ein Karriereende in Köln oder wieder in Auersmacher geben?

Hector: Ich weiß nicht, was in ein paar Jahren ist und wie ich dann denken werden. Bleiben wir erst einmal im Jetzt und Hier.

 

Bis zum WM-Auftaktspiel der Nationalmannschaft in Russland (Sonntag, 17. Juni, 17 Uhr gegen Mexiko) sind es noch zehn Tage. Wie hoch ist die Anspannung schon?

Hector: Ich denke mal, wenn es dann wieder zur Mannschaft geht und wir auf dem Weg zum Flughafen sind, werde ich ernsthaft realisieren, wo es jetzt hingeht. Bis dahin haben wir noch viel und harte Arbeit vor uns.

 

Text und Fotos: Heiko Lehmann